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Coronavirus und Ausbildung

Nachfolgend haben wir wichtige Themen sowie rechtliche Aspekte zum Coronavirus und die Folgen für die Ausbildung zusammengefasst:

Berufsschule geschlossen – was nun?

 

Wenn die Berufsschule geschlossen ist, müssen die Auszubildenden im Betrieb erscheinen. Denn Auszubildende sind gemäß § 9 Absatz 1 des Jugendarbeitsschutzgesetzes (JArbSchG) bzw. § 15 Absatz 1 BBiG nur für die Teilnahme am Berufsschulunterricht von der Ausbildung freigestellt. Die Freistellung der Auszubildenden durch ihre Ausbildenden endet jedoch, wenn ein Besuch der Berufsschule unterbleiben muss.
Auch wenn die Berufsschule als Ersatz home-schooling anbietet, darf der Auszubildende nicht einfach zu Hause bleiben. Die Entscheidung darüber, ob der Auszubildende am Online-Unterricht der Schule im Betrieb oder an anderer Stelle teilnimmt, trifft der Betrieb – idealerweise natürlich in Abstimmung mit den Auszubildenden. Dies gilt dann, wenn der Auszubildende selbst nicht unter Quarantäne gestellt ist oder der Ausbildungsbetrieb den Auszubildenden vorgibt, den Betrieb nicht zu betreten.

Allerdings muss der Auszubildende dennoch den für den Beruf wesentlichen theoretischen Lehrstoff aneignen. Falls der Ausfall der Unterrichtszeiten von der Berufsschule nicht nachgeholt wird, muss der Ausbildungsbetrieb dem Auszubildenden die hierfür erforderliche Zeit im Betrieb zur Verfügung stellen. Ideal ist es, wenn das Lernen in geeigneten betrieblichen Räumen erfolgen kann – der Ausbilder könnte dann Hilfestellung bieten bzw. als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Ist das Lernen im Betrieb nicht möglich, muss der Betrieb die Zeit hierfür im “home-office” zur Verfügung stellen.
Es muss dem Auszubildenden die Zeit zur Verfügung gestellt werden, die für die Aneignung des wesentlichen Lehrstoffs in der Schule auch erforderlich gewesen wäre. Der zeitliche Umfang hierfür ist so zu bemessen, dass er dem Freistellungszeitraum für die Teilnahme am Berufsschulunterricht nach entspricht gem. § 15 (1) Nr. 1 BBiG. Von der Zeit, die zum Lernen eingeräumt wird,  kann die Wegzeit vom Betrieb zur Berufsschule und zurück abgezogen werden. Auch kann der Betrieb die Zeit für die allgemeinbildenden Schulfächer (z.B. Religion oder Sport) abziehen.

Prüfung verschoben – was passiert dann?

Wenn die Abschlussprüfung verschoben wird, verlängert sich das Ausbildung nicht automatisch. Das Ausbildungsverhältnis endet mit Erreichen der vertraglich vereinbarten Ausbildungsdauer, auch wenn die Abschlussprüfung noch nicht abgelegt ist gem. § 21 (1) BBiG.

Auf Antrag des Auszubildenden kann die Ausbildungsdauer verlängert werden, wenn die Verlängerung erforderlich ist, um das Ausbildungsziel zu erreichen gem. § 8 (2) BBiG. Diese kann bei einer längeren Corona-bedingten Ausfallzeit der Berufsausbildung im Betrieb oder in der Berufsschule durchaus der Fall sein.

Homeoffice für Auszubildende – kann man das machen?

Grundsätzlich sollten die Auszubildenden nicht im Homeoffice sein. Denn aus dem § 14 BBiG ergibt sich die Pflicht, dass der Ausbildende bzw. die Ausbilder den Auszubildenden ausbilden müssen. Diese Personen müssen überwiegend in der Ausbildungsstätte anwesend sein, damit die Auszubildenden ordnungsgemäß angeleitet und die Arbeitsergebnisse kontrolliert bzw. bewertet werden können.
Allerdings ist es bei den derzeitigen coronabedingten Umständen vertretbar, wenn die Auszubildenden ausnahmsweise Homeoffice haben. Dies soll aber keine Dauerlösung sein. Das mobile Lernen bzw. Arbeiten sollte auch nur für das Vertiefen von bereits erworbenen Ausbildungsinhalten angewendet werden und muss durch die Ausbilder kontrolliert werden. Der Ausbildungsnachweis ist auch weiterhin zu führen. Insofern ist es wichtig, dass trotz Homeoffice der Kontakt zu den Auszubildenden gehalten wird. Der regelmäßige Austausch ist wichtig, v.a. über die Gestaltung der Arbeitsfortschritte.  Dies kann z.B. per E-Mail, Chat oder Videotelefonat erfolgen.

Ausbildung und Kurzarbeit – geht das?

Auszubildenden gegenüber kann in der Regel keine Kurzarbeit angeordnet werden. Der Ausbildungsbetrieb ist dazu verpflichtet, alle Mittel auszuschöpfen, um die Ausbildung weiter zu gewährleisten. Kurzarbeit für Auszubildende kommt nur dann in Betracht, wenn vorher alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft worden sind, die betriebliche Ausbildung ordnungsgemäß fortzusetzen. Wenn es daraufhin unvermeidlich ist, dass die Ausbildung unterbrochen wird – was bei einer coronabedingten Schließung der Fall sein dürfte – können auch Auszubildende in Kurzarbeit einbezogen werden. Sollte Auszubildenden gegenüber Kurzarbeit angeordnet werden, haben sie Anspruch auf Zahlung der vollen Ausbildungsvergütung für mindestens sechs Wochen gem. § 19 (1) Nr. 2 a) BBiG. Tarifverträge oder Ausbildungsverträge können auch längere Fristen vorsehen. Erst danach kann über die verantwortliche Agentur für Arbeit Kurzarbeitergeld beansprucht werden.

Auch bei Ausbildern oder Ausbildungsbeauftragen sollte Kurzarbeit nur in Ausnahmefällen angeordnet werden, da der Betrieb gewährleisten muss, dass der Ausbilder seiner Ausbildungspflicht gegenüber dem Auszubildenden nachkommt gem. § 14 BBiG.

Das bedeutet, dass das Ausbildungspersonal von der Kurzarbeit ausgenommen oder so eingeteilt wird, dass sich in Kurzarbeit befindliche Ausbilder bzw. Ausbildungsbeauftragte so aufteilen, dass Auszubildende in Vollzeit ausgebildet werden können. Hierzu ist unter Umständen der betriebliche Ausbildungsplan umzustellen. Werden die Auszubildenden mangelhaft oder gar nicht ausgebildet, kann ein Schadensersatzanspruch gegenüber dem Ausbildungsbetrieb entstehen.

Kündigung aussprechen – ist das möglich?

Die Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses ist aufgrund wegbrechender Aufträge oder behördlicher Betriebsschließungen nicht möglich. Dies ergibt sich aus den besonderen Hauptleistungspflichten eines Ausbildungsverhältnisses, d.h. seitens des Ausbildenden die Vermittlung der beruflichen Handlungsfähigkeit gem. § 14 (1) Nr. 1 BBiG bzw. seitens des Auszubildenden die Bereitschaft, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erwerben gem. § 13 (1) BBiG.

D.h. Kurzarbeit an sich rechtfertigt keine Kündigung des Ausbildungsverhältnisses durch den Ausbildungsbetrieb. Wenn allerdings aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage des Ausbildungsbetriebs kein Ausbildungspersonal mehr vorhanden ist, in der Ausbildungsstätte die berufliche Handlungsfähigkeit nicht mehr vermittelt werden kann, bzw. dieser endgültig geschlossen wird, ist ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung des Ausbildungsverhältnisses durch den Ausbildenden gegeben. Entfällt dadurch die Ausbildung ist eine Kündigung ohne Schadensersatzanspruch möglich. Ebenso kann der Auszubildende dann fristlos kündigen, wenn die Ausbildungsvergütung nicht mehr gezahlt werden kann bzw. die Ausbildung erhebliche Mängel aufgrund der schwierigen Situation aufweist. (§ 22 (2) Nr. 1 BBiG). Darüber hinaus kann ein Aufhebungsvertrag das Ausbildungsverhältnis beenden.

Insolvenz droht – was nun?

Eine drohende Insolvenz oder die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens haben keine direkten Auswirkungen auf das Ausbildungsverhältnis. Die aus dem Ausbildungsvertrag resultierenden Rechte und Pflichten bleiben bestehen. Allerdings gehen diese nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter über. Alle Ansprüche sind dann an ihn zu richten. Wird im Zuge des Insolvenzverfahrens das Unternehmen verkauft, tritt das übernehmenden Unternehmen in die Rechte und Pflichten aus dem Ausbildungsverhältnis ein. Kann im Zuge des Insolvenzverfahrens die Ausbildung nicht mehr ordnungsgemäß und vollständig durchgeführt werden, steht dem Ausbildungsbetrieb ein außerordentliches Kündigungsrecht zu. Ebenso kann der Auszubildende außerordentlich kündigen, wobei dieser nicht vorschnell handeln sollte. Es könnte auch ein Aufhebungsvertrag geschlossen werden. Bei Insolvenz des Ausbildungsbetriebs haben auch die Auszubildenden einen Anspruch auf Insolvenzgeld. Der Antrag auf Insolvenzgeld kann innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei der Agentur für Arbeit gestellt werden.

Urlaub oder Freistellung anordnen – ist das erlaubt?

Pauschal können Auszubildende nicht in “Zwangsurlaub” geschickt werden. Urlaub muss der Auszubildende beantragen und er kann in der Regel nicht gegen dessen Willen einfach angeordnet werden. Betriebsurlaub kann vom Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts grundsätzlich angeordnet werden, aber nicht nur für die Auszubildenden alleine. Es muss sich um eine generelle Regelung für den gesamten Ausbildungsbetrieb oder klar abgegrenzte Betriebsteile handeln.

Eine Freistellung von der Ausbildung verstößt gegen die Verpflichtung Ausbildender zur Vermittlung der beruflichen Handlungsfähigkeit gem. § 14 (1) Nr. 1 BBiG. Sie ist ausdrücklich nur auf die gesetzlich vorgesehenen Fällen wie Teilnahme am Berufsschulunterricht, an Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte sowie Prüfungen beschränkt gem. § 15 (1) BBiG. Stellt die Ausbildungsstätte Auszubildende dennoch von der Ausbildung frei, kann der Ausbildende im Einzelfall schadenersatzpflichtig sein – z.B. wenn die Freistellung zu finanziellen Nachteilen führen oder Lücken in der Ausbildung entstehen, wodurch es zur Nichtzulassung zur Abschlussprüfung oder zum Nichtbestehen der Abschlussprüfung kommt.

Teilzeitausbildung vereinbaren– geht das?

Die Vereinbarung einer Teilzeitausbildung ist eine Lösung, um die Ausbildungsplätze zu erhalten bzw. die finanzielle Belastung durch die in voller Höhe fortzuzahlende Ausbildungsvergütung zu reduzieren. Gem. § 7a BBiG kann mit einer Vertragsänderung die tägliche oder wöchentliche Ausbildungszeit um bis zu 50 Prozent verkürzt und die Vergütung entsprechend reduziert werden. Allerdings verlängert sich das Ende der vertraglich vereinbarten Ausbildungszeit entsprechend um die reduzierte Ausbildungszeit.